ARCHITEKTIN DES LICHTS

Gabriele Uelsberg

in "Annette Sauermann MOVED BY LIGHT" LVR-LandesMuseum Bonn 2010


Das hier vorgestellte Ausstellungsprojekt mit der Aachener Künstlerin Annette Sauermann zeigt eine bildhauerische Konzeption, die im strengen Sinne als eine Form der "Lichtbildnerei" verstanden werden kann. Annette Sauermann hat dabei ihre Position in den letzten Jahrzehnten immer stärker konzentriert und aus den anfänglichen auf Ort und Raum enger bezogenen Installationen und Objekten mittlerweile ein künstlerisches Szenario geschaffen, das sowohl in Installationen wie in raumkünstlerischen Architekturplastiken in originärer Weise mit dem Wechselspiel von Materialität und Licht arbeitet.


Annette Sauermann vermittelt in der Zusammenstellung von scheinbar unvereinbaren Materialitäten wie Beton und Glas oder Beton und Papier einen Balanceakt, der mit den unterschiedlichen Wahrnehmungen und Befindlichkeiten von Stofflichkeit spielt und gleichzeitig den Raum und das einfallende Licht im Raum gleichsam einsetzt, um die Skulpturen, Objekte und Rauminstallationen zum Schwingen zu bringen. Die Kombinationen - gerade auch in den Arbeiten mit farbigem Acrylglas und Beton -, stellen einen Grad an erlebtem Risiko dar, das aus der vermeintlichen Unvereinbarkeit dieser Materialien erwächst und gleichsam durch den Lichteinfall in das transparente farbige Glas ein hohes Maß von Immaterialität und Zerbrechlichkeit bekommt. Licht wird hier "begreifbar" als ein drittes materielles Element der Arbeiten.


Annette Sauermann kombiniert in ihren Skulpturen die Werkstoffe so miteinander, dass sie ohne andere Hilfsmittel unmittelbar aufeinander stoßen und in einem sehr ausgearbeiteten Konzept sich selbst erhalten und wie natürlich aufeinander beziehen. Diese Form eines skulpturalen Aufbaus, der auf Seriellität und additive Verfahren referiert, beinhaltet zum einen die Möglichkeit des Weiterentwickelns einer solchen Skulptur in die Unendlichkeit der Form, zum anderen aber auch die potenzielle gedankliche Chance der Veränderung, die sich in immer wieder neuen Zusammenstellungen gleichsam anbietet. Die Durchdringung der Materialien untereinander, bei denen die Glasplatten zwischen die Betonelemente gelegt sind und diese selbst wiederum gehalten werden, wird durch die Beleuchtung der Arbeit durch das Licht mit Sinn erfüllt. Die Durchdringung der drei Materialitäten Beton, Glas und Licht erfolgt so in einem ständigen Prozess der Veränderung, der jedoch faktisch nur von dem Licht selbst evoziert wird und sich in der strukturellen Gegebenheit der Materialitäten natürlich statisch verhält.


Annette Sauermann arbeitet mit ihren Arbeiten in zweierlei Richtungen. Zum einen baut sie aus ihren skulpturalen Installationensogenannte "Lichtfallen," die das in den Raum gelangende Tageslicht wie ein Kaleidoskop bündeln und in der Arbeit selbst konzentrieren. Zum anderen entwickelt sich in ihren Wandobjekten und in ihren im Raum definierten skulpturalen Setzungen eigenständige Objekte, die genau mit dieser Materialität von Licht, Glas und Beton ein selbstständiges plastisches Bild im Raum vermitteln. Der Betrachter ist dabei stets aufgerufen, durch die Veränderung seiner Position die Variationsbereitschaft seines Blickwinkels und der zu erwartenden Veränderungen im Laufe eines Tagesablaufs innerhalb der Unendlichkeit der Zeit stets neue Aspekte und überraschende Einblicke auf die künstlerische Arbeit zu gewinnen. Das Werk bzw. die Werke von Annette Sauermann sind in diesem Sinne bewusst uneindeutig und unterliegen dem Prozess der Veränderung, ohne in irgendeiner Weise in die Beliebigkeit oder die Zufälligkeit von Erscheinungsformen zu geraten.


In diesem Kontext von veränderbarer Visualisierung ihrer Objekte und Installationen nimmt Annette Sauermann auch stets den Raum und den Ausstellungsbereich selbst ins Visier ihrer künstlerischen Arbeit. Die durch die Lichtinklusion bedingten prozessualen Veränderungen, die ihre Wandarbeiten, Skulpturen und Rauminstallationen in sich tragen, werden von der Künstlerin bewusst in Auseinandersetzung mit dem aktuellen Ausstellungsort entwickelt. Auch die Räume und Ausstellungsgegebenheiten, in denen Annette Sauermanns Arbeiten präsentiert werden, werden in dieser Hinsicht in die prozessualen Veränderungen mit einbezogen und lassen sich neu und anders erfahren. Der immer wieder auf die Architektur hin bezogene Ansatz dieser Künstlerin gleicht einem analytischen Forschungsprozess, dem sie sowohl ihre Arbeit wie den Raum, in dem sie ihre Werke installiert, unterzieht. Die Fragestellungen, die sich im Kontext ihrer Werkreihen vollziehen, sind daher oftmals fast naturwissenschaftlich und immer präzise an den Bedingungen der Optik, der Statik und den architektonischen Konditionen abgeprüft. Dennoch entsteht daraus keine mathematisch naturwissenschaftliche "Versuchsanordnung", sondern immer wieder ein den Betrachter überwältigendes und immer aufs neue überraschendes visuelles Erlebnis im Raum, in dem der Rezipient sich gleichsam als Person innerhalb dieses Gefüges erfahren kann.


Der Katalog und die Ausstellung präsentiert das Werk von Annette Sauermann in seiner vielgestaltigen Aufstellung. Die Künstlerin beweist in ihrer stringenten Umsetzung seit vielen Jahren ein überzeugendes Werk und belegt damit einen konsequenten, aspektreichen und gestalterisch überzeugenden künstlerischen Ansatz im Bereich der skulpturalen Raumarchitektur.